Peutereygrat Integral (4000er Nr. 80+81)

Der Peutereygrat gilt, wenn man ihn integral besteigt, als längster Grat der Alpen.

Er lässt sich in verschiedene Teile einteilen:

    1. Südgrat auf die Aguille Noire (anhaltende Kletterei bis 5c über 800 Meter).

    2. Abseilpiste an der Aguille Noire (über diese 400 Meter Abseilpiste gibt es so manche Horrorstorys. Durch die neugebohrten Abseilstände ist sie jedoch nicht mehr so schlimm wie früher. Wenn sich das Seil beim Abziehen verklemmt, hat man trotzdem ein größeres Problem).

    3. Überschreitung der „Dames Anglaise“ zum „Craveri Biwak“ (dieser Teil ist zwar klettertechnisch nicht mehr so schwer wie die Kletterei an der Aiguille Noire, jedoch ist der Fels hier durchgängig nicht fest und die Kletterei gleicht hier einem „Tanz auf Eiern“ und man findet sich nicht selten in vertikalem Bruchgelände).

    4. Nach dem „Craveri Biwak“ bis zum Gipfel der “Aiguille Blanche de Peuterey“ wird der Fels zwar wieder etwas fester, wirklich fest ist er aber nie. Nach dem imposanten Firngrat gilt es, nochmal in leichter Kletterei auf den Gipfel der „Aiguille Blanche de Peuterey“ zu klettern und sich von dieser dann ins „Col de Peuterey“ abzuseilen.

    5. Vom „Col de Peuterey“ geht es, je nach Bedingungen entweder durch ein steiles Couloir oder brüchigen Fels zum „Grand Pilier d’Angle“. Von hier folgt ein nicht endend wollender Firngrat bis zum höchsten Gipfel der Alpen, dem „Mont Blanc“. Nach 4500HM Kletterei endet hier der Peutereygrat und man kann wahlweise über die Goutehütte, Gornellahütte oder Cosmiquehütte absteigen.

Das Wetter war im Juli 2023 nicht so beständig war wie erhofft und so gestaltete es sich als schwierig ein gutes Wetterfenster zu finden.

Mein Seilpartner (David) und ich hatten schon länger die erste Juli Woche für diese Tour reserviert und so beschlossen wir uns trotzdem auf der italienischen Seite des Mont Blancs zu treffen, um dann vor Ort entscheiden zu können.

Da David bereits einige Wochen in den Westalpen unterwegs war und am Tag zuvor bereits die Grandes Jorasses überschritten hatte, war er bereits bestens akklimatisiert.

Ich hatte 2023 noch nicht so viel gemacht, wie David war aber mit der Besteigung der „Les Droites“ und des „Mont Blancs“ bereits auch schon zwei Mal über 4000metern.

Wie verabredet trafen wir uns am „Camping de Peuterey“ in der Nähe von Courmayeur.   Der Peuterey Integral startet an diesem Campingplatz und der Besitzer des Campingplatzes ist meist gut über die Verhältnisse der Tour informiert. Da diese Tour jedoch in diesem Jahr noch gar nicht oder kaum gemacht wurde, konnte er uns über die Bedingungen recht wenig sagen. Trotzdem erhielten wir einige Hinweise von ihm, die sich im späteren Verlauf noch als sehr nützlich erweisen sollten. Wegen schlechtem Wetter entschieden wir uns erstmal noch 1-2 Tage auf ein besseres Wetterfenster zu warten. Am nächsten Tag trafen wir auf dem Campingplatz auf zwei Kletterer, die an Tagen zuvor den ersten Teil des Peuterey Integrals kletterten, aber dann wieder umdrehten. Sie berichteten, dass sich bereits wenig Schnee an der Aguille Noire befindet (hier wollten wir die erste Nacht biwakieren. Ohne Schnee, den wir zum Wasser schmelzen brauchen würden, würde diese Tour sicher nicht angenehmer werden).

Als wir am nächsten Tag nochmal das Wetter checkten, stellten wir fest, dass es weiterhin nicht so beständig war, wie wir es uns erhofft hatten. Heute sollte es noch etwas Niederschlag geben. Gefolgt von einem windigen, aber sonnigen Tag. An den darauffolgenden Tagen sollte sich das Wetter deutlich verschlechtern. Der Wetterbericht sprach von starken Böen und erhöhtem Niederschlagsrisiko. Der Langzeit Wetterbericht sagte jedoch auch voraus, dass das Wetter tendenziell die nächsten 10 Tage eher noch schlechter werden sollte. Nach einer kurzen Besprechung entschieden wir, dass wir es versuchen würden.

So packten wir bestimmt schon zum dritten Mal unseren Rucksack. Da wir die Tour mit zwei Biwaks klettern wollten, mussten wir einiges an Essen mitnehmen. Mit etwas stopfen passte jedoch zum Glück doch noch alles in meinen 28 Liter Rucksack…

Gegen 16:00 Uhr liefen wir also vom Campingplatz über einen Klettersteig hoch zum Borelli Biwak. Kaum waren wir 10 Minuten gegangen, fing es auch schon an stark zu regnen und wir waren nach weiteren 10 Minuten klatschnass. Der Zustieg zum Borelli Biwak ist über lange Strecken recht ausgesetzt. Ein guter Einstieg für den Peutereygrat …

Nach etwas mehr als zwei Stunden erreichten wir das Borelli Biwak. Diese Holzhütte ist in der Nähe des Einstiegs für den Südgrat der Aiguille Noire errichtet worden. Hier trockneten wir unsere Klamotten und versuchten, noch einen Blick auf die Aiguille Noire zu erhaschen. Der aufziehende Nebel machte uns jedoch einen Strich durch die Rechnung. So aßen wir zu Abend, stellten unseren Wecker auf 3:30 Uhr (damit wir bei Sonnenaufgang direkt mit der Kletterei starten konnten (von dem Borelli Biwak ist es etwa noch eine Stunde bis zum Einstieg)) und gingen schlafen. Während wir schliefen, begann es wieder stark zu regnen.

Unser unruhiger Schlaf wurde nur einmal unterbrochen, als eine Seilschaft bestehend aus zwei komplett durchnässten Bergführern um 23:00 Uhr in die Hütte kam und uns mittteilte, dass sie ebenfalls den „Peutereygrat“ besteigen wollen. Dies bestärkte uns etwas in unserer Entscheidung, es zu versuchen und so schliefen wir schnell wieder ein.

Um 3:30 Uhr klingelte unser Wecker. Wir frühstückten eine Kleinigkeit und gingen dann nach draußen. Zu unserer Überraschung stellten wir fest, dass der Fels so gut wie trocken war. Der starke Wind hatte also auch etwas Nützliches gehabt. Wir packten unsere Sachen und begannen mit dem Zustieg. Nach einem kurzen Verhauer am Einstieg begannen wir nach etwa einer Stunde mit der ersten der 50zig Seillängen.

Anfangs gingen wir alles am laufenden Seil und konnten so schnell einige Höhenmeter hinter uns lassen. Da wir die „Pic Gamba“ und die „Punta Bifida“ umgingen, kamen wir schnell voran. Kurz vor der „Punta Welzenbach“ entschieden wir von Bergstiefel auf Kletterschuhe zu wechseln, da die Kletterei ab jetzt deutlich anspruchsvoller werden würde. Wir entschieden uns für eine Pause, da wir sowieso vorhatten am Gipfel der Aiguille Noire zu biwakieren, und genossen die Aussicht. Kurze Zeit später wurden wir von der anderen Seilschaft eingeholt, die kurz nach uns von dem Borelli Biwak aus gestartet war. Sie berichteten von ihrem Plan, heute noch bis ins Craveri Biwak zu klettern und am nächsten Tag von dort aus weiter bis zum Mont Blanc zu klettern. Wir wünschten ihnen viel Glück und schon bald konnten wir sie nicht mehr sehen. Wir entschlossen uns ebenfalls weiterzugehen und kletterten weiter. Das Gelände wurde ab hier immer unübersichtlicher, aber trotzdem kamen wir gut voran. Gegen Abend erreichten wir, mit 2 gefundenen Friends, die die vorherigen Seilschaften wohl zurückgelassen hatten, den Gipfel der Aiguille Noire.

Von hier oben hatten wir eine super Rundumsicht und konnten zum ersten Mal einen Blick auf den weiteren Peutereygrat werfen. Nach einer kurzen Pause entschieden wir uns, unser Biwak unterhalb des Gipfels der Aiguille Noire einzurichten. Da es schon zu dämmern begann, fragten wir uns, ob es die Bergführer bereits ins Craveri Biwak geschafft hatten. Laut Topo braucht man vom Gipfel der Aiguille Noire nämlich bis ins Craveri Biwak nochmal 7 Stunden…

Da wir am nächsten Tag erst einmal 400 Meter in unübersichtlichem Gelände abseilen mussten, entschieden wir uns dafür, dass es keinen Sinn machen würde im Dunkeln zu starten. So stellten wir unseren Wecker auf 4:30 Uhr und schliefen mit einem großartigen Ausblick auf das 2500 Höhenmeter unter uns liegende und hell erleuchtete Courmayeur schnell ein. 

Als wir am nächsten Morgen von unserem Wecker geweckt wurden, dämmerte es bereits und an der Grandes Jorasses ging schon langsam die Sonne auf. Der Himmel war klar und es sah so aus, als hätten wir, zumindest in der ersten Tageshälfte, Glück mit dem Wetter. Wir packten unsere Sachen zusammen und begannen zügig, uns auf der Rückseite der Aiguille Noire abzuseilen.

Da die Abseilpiste vor einigen Jahren mit neuen Ständen eingerichtet wurde, ist diese nicht mehr so unübersichtlich wie früher (ein Seilverhänger würde jedoch immer noch zu großen Problemen führen). Wir hatten Glück und bei uns lief alles reibungslos. Nach etwa 1,5 Stunden beendeten wir unser Abseilmanöver und begannen mit dem weiteren Aufstieg über die „Dames Anglaise“.

Die Kletterei ist hier leichter als an der Aiguille Noire. Die Felsqualität ist hier jedoch mehr als schlecht. Über ein schneefreies und äußerst brüchiges Couloir gelangten wir schließlich zum Craveri Biwak. Die Kletterei bis hierhin glich einem Tanz auf rohen Eiern, denn alles, was man anfasste, war kaum oder gar nicht fest.

Am Craveri Biwak machten wir eine gemütliche Mittagspause und kochten uns etwas zum Essen. Das Wetter hatte sich hier schon etwas verschlechtert und langsam begannen Wolken vom Tal hochzudrücken.

Als wir plötzlich einen Hubschrauber hörten, der Richtung „Col de Peuterey“ flog, fingen wir an, uns Sorgen um die zwei Bergführer, die uns zuvor überholt hatten, zu machen.

Nach einer etwa einstündigen Pause kletterten wir weiter. Die Kletterei ging weiter, wie sie vorher aufgehört hatte: mit fast vertikalem Bruchgelände…Nach einiger Zeit befanden wir uns komplett im Nebel und es begann leicht zu schneien und so kam es, wie es kommen musste. Wir verstiegen uns und vergeudeten hier einige Zeit. Da dies jedoch der einzige Verhauer sein sollte, kamen wir dann doch noch gegen Abend am ersten der drei Gipfel der „Aiguille Blanche de Peuterey“ an. Von hier geht ein schmaler Firngrat bis zum zweiten Gipfel. Hier hatten wir Glück mit den Bedingungen und dieser Teil der Tour erwies sich als deutlich leichter als erwartet. Unterhalb des Hauptgipfels angekommen, begannen wir mit der Kletterei. Die etwa 50 Höhenmeter gingen schnell und so standen wir nach kurzer Zeit auf dem Hauptgipfel der „Aiguille Blanche de Peuterey“. Da das Wetter sich weiterhin nicht besserte und wir im völligen Nebel standen, machten wir schnell ein paar Gipfelfotos und kletterten dann zügig wieder hinunter. Der Weg zum dritten Gipfel der „Aiguille Blanche de Peuterey“ ging gut und so standen wir nach kurzer Zeit auch auf diesem. Da es nun auch noch zu dämmern begann und die Sicht durch den Nebel zudem stark eingeschränkt war, starteten wir hier direkt mit dem Abseilen ins Col de Peuterey. Aufgrund der einbrechenden Dunkelheit fanden wir die Stände nicht immer sofort und so kamen wir erst gegen 23:00 Uhr im Schein unserer Stirnlampen im Col de Peuterey an.

Aufgrund des Schneefalls und des starken Windes der vergangenen Tage standen wir hier zum Teil in knietiefem Pulverschnee. Da es dort sehr stark windete begannen wir uns ein Loch im Schnee zu graben, um dort die Nacht verbringen zu können. Nach etwa einer halben Stunde waren wir fertig und legten uns zum Schlafen hin.

Der Wind nahm weiter zu und bedeckte uns immer wieder mit Schneeböen. Deshalb entschieden wir uns gegen etwa 3:00 Uhr zu starten. Wir packten im dichten Nebel unsere Sachen zusammen und hofften, bei der schlechten Sicht den Einstieg zum Couloir, dass wir klettern wollten, überhaupt zu finden. Nach etwa 10 Minuten stießen wir auf Spuren, die jedoch nicht weiter zum Mont Blanc sondern runter Richtung „Eccles Biwak“ führten. Wir nahmen an, dass es sich hierbei um die Spuren der zwei Bergführer handelte und diese ihre Besteigung abgebrochen hatten. Spätestens jetzt waren wir also ganz auf uns allein gestellt. Nach einiger Zeit kamen wir zu dem Entschluss, dass es unmöglich sei, bei dem Nebel den Weg zu finden und so beschlossen wir, uns an einem windgeschützten Ort nochmal hinzusetzen und abzuwarten. Als nach etwa 30 Minuten der Nebel für eine Minute aufzog und wir uns neu orientieren konnten, starteten wir sogleich in Richtung Couloir.

Der Bergschrund war schnell überklettert und nach sehr heiklen 10 Metern auf vereisten Platten standen wir auch schon am Fuß des Couloirs. Von hier ging es etwa nochmal 400 Meter in etwa 45-55 Grad Steigung nach oben. Der Wind, der uns unentwegt Schnee von oben ins Gesicht wehte, machte diese Kletterei nicht wirklich angenehmer.

 Als wir dann am Ende des Couloirs rauskamen, richtete sich unser Blick nach rechts. Dort verborg sich, im dichten Nebel der „Grand Pilier d’Angle“ (ein weiterer, kaum bestiegener 4000er der auf unserer Liste stand). Also begannen wir auf dem schmalen Firngrat Richtung „Grand Pilier d’Angle“ anzusteigen. Aufgrund des sich immer weiter verdichtenden Nebels konnten wir mittlerweile kaum noch einen Meter weit sehen. So hatte es etwas Unwirkliches zu wissen, dass man sich auf einem exponierten Firngrat befindet und es auf beiden Seiten etwa 1000 Meter nach unten geht, aber man aufgrund des Nebels kaum seine Füße sehen kann. Wir stiegen immer weiter ab bis wir endlich am „Grand Pilier d’Angle“ ankamen.

Ein Gipfelfoto vom 4000er Nr. 81 von 82 gemacht und nochmal auf dem GPS vergewissert, dass wir auch wirklich am Gipfel waren, und schon ging es wieder zurück Richtung Couloir. Von hier waren es nochmal etwa 400 Höhenmeter immer am steilen Grat hinauf zum Gipfel des Mont Blancs.

Nach einiger Zeit begann es auch noch zu Schneien und so war das „perfekte Wetter“ komplett.

Als wir etwa eineinhalb Stunden später die Gipfelwechte überkletterten, wurden wir von so starkem Wind empfangen, dass wir uns erstmal hinkauern mussten. Am Tag davor hatten wir noch mit dem Gedanken gespielt von hier zum „Picco Luigi Amadeo“ weiter zu klettern und somit auch noch den letzten der 82 4000ern zu besteigen. Da der Wind jedoch so stark war, dass man kaum einen Schritt vor den anderen setzen konnte, ohne umgeworfen zu werden, war an Kletterei an einem ausgesetzen Firngrat nicht zu denken.

 Deshalb entschieden wir, schnell vom Mont Blanc Richtung Goutehütte abzusteigen. Wir machten noch ein paar Fotos und genossen es, völlig allein auf dem höchsten Berg der Alpen stehen zu dürfen. Nach etwa 5 Minuten begannen wir mit dem Abstieg. Kurz vor der Goutehütte flachte der Wind ab und die Sonne kam heraus. Gegen 12:00 Uhr auf der Goutehütte angekommen, aßen wir erstmal etwas und entschieden uns, hier eine Nacht zu verbringen und am nächsten Tag entspannt ins Tal abzusteigen. So ließen wir den Tag gemütlich ausklingen und gingen zeitig schlafen.

Am nächsten Morgen standen wir früh auf. Der Abstieg nach Chamonix war dann nur noch Formsache. In Chamonix angekommen, gingen wir erstmal Burger essen und fuhren dann mit dem Bus durch den Mont Blanc Tunnel zurück nach Italien.

Von hier ging es Richtung Campingplatz, von dem wir 5 Tage zuvor aufgebrochen waren. Auf dem Campingplatz wurden wir direkt von dem Besitzer des Campingplatzes begrüßt und beglückwünscht. Nach kurzer Schilderung der Tour und den aktuellen Bedingungen fielen wir müde, aber glücklich ins Bett.

Da wir nicht wie geplant den „Picco Luigi Amadeo“ besteigen konnten, war noch einer der 4000er der Alpen offen. Am nächsten Morgen begannen David und ich bereits zu planen, wie wir diesen besteigen wollen…

Der Peuterey Integral zählt sicher zu den eindrucksvollsten Bergtouren, die ich bisher geklettert bin und es war umso schöner, dieses Erlebnis mit einem guten Freund teilen zu dürfen!

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