„Picco Luigi Amadeo“ the last one Nr. 82/82

Nachdem mein Seilparter David und ich Anfang Juli 2023 den „Peuterey Integral“ klettern konnten, war für mich nur noch einer der 82 4000er der Alpen unbestiegen - der „Picco Luigi Amadeo“

Dieser selten begangene 4000er liegt auf der italienischen Seite des Mont Blancs und wird üblicherweise über den Bruillardgrat bestiegen. David und ich hatten aber schon seit letztem Jahr die Idee, diesen 4000er über die „Bonatti-Oggioni“ am „Piller Rugue“ zu besteigen.

Diese Tour war aus mehreren Gründen sehr reizvoll für uns. Zum einen zogen wir die anhaltend steile Kletterei bis 6a der brüchigen 3er bis 4er Kletterei am Bruilliardgrat vor. Zum anderen spielten wir noch mit dem Gedanken, im Laufe des Sommers den „Freneypfeiler“ auf der Südseite zu klettern. Da beide Touren denselben Zustieg haben, wäre der „Piller Rugue“ also eine gute Erkundungstour in diesem Gebiet.

Da das Wetter auch Ende Juli weiterhin nicht so stabil war wie erhofft, trafen wir uns erstmal in Cournayeur und verbrachten die ersten 2 Tage damit, Pizza und Eis essen zu gehen.

Als der Wetterbericht dann für den übernächsten Tag ein halbwegs stabiles Wetter vorhersagte, entschieden wir uns, am nächsten Morgen zu starten und einen Versuch zu wagen.

Einziges Risiko war: für den morgigen Tag war laut Wetterbericht schlechtes Wetter inklusive 30cm Neuschnee gemeldet. Wir redeten uns gegenseitig ein, dass es schon nicht so schlimm werden würde und sagten Matt, der unsere Besteigung für Epic TV filmen wollte, Bescheid.

Matt war ganz begeistert und teilte uns mit, dass er gegen 22:00 Uhr in Peuterey (dem Ausgangspunkt unserer Tour) sein würde. Den restlichen Tag nutzten wir dafür, unsere Rucksäcke zu packen und das Topo der Tour zu studieren.

Die Tour lässt sich in verschiede Teilabschnitte unterteilen:

  1. Zustieg zum Ecclesbiwak (der Zustieg zum Ecclesbiwak dauert etwa 8 Stunden und führt an der Monzinohütte vorbei auf den Bruillardgletscher. Ab hier beginnt die Wegsuche in einem Labyrinth aus riesigen Spalten. Hat man die etwa 2200 Höhenmeter hinter sich, warten noch 200 Höhenmeter in brüchigem Fels, ehe man das winzige Ecclesbiwak erreicht.)
  2. Zustieg zum Piller Rugue (hinter dem Ecclesbiwak befindet sich eine Abseilpiste, die wieder zurück auf den Gletscher führt. Unten angelangt quert man Richtung Bruillardgrat bis zum Einstieg des „Piller Rugoues“)
  3. Piller Rugue (der Piller Rugue hat 12 Seillängen bis zu 6a in bestem Granit)
  4. Weg zum „Picco Luigi Amadeo“ (am Ende des Piller Rugue angekommen, lässt die Qualität des Felses nach und wird von Meter zu Meter brüchiger. In ausgesetzter Gratkletterei geht es weiter bis zum Gipfel des „Picco Luigi Amadeo“)
  5. Mont Blanc (am „Picco Luigi Amadeo“ angekommen, geht es über das Ende des Bruillardgrats weiter zum Mont Blanc)
  6. Abstieg (man kann wahlweise über die Goutehütte, Gornellahütte oder Cosmiquehütte absteigen)

Als wir uns abends mit Matt trafen, besprachen wir mit ihm  nochmal kurz die Einzelheiten der Tour und gingen früh schlafen, da wir um 4:00 Uhr starten wollten.

Als der Wecker klingelte, standen wir zügig auf und gingen gleich danach los. Nach etwa zwei Stunden, über einen schmalen Weg und steile Leitern, erreichten wir die Monzinohütte. Wir waren kaum fünf Minuten gegangen, als auch schon starker Regen einsetzte. Nach einer weiteren Stunde ließ der Regen aber wieder nach und wir erreichten den Anfang des Bruillardgletschers. 

Hier wechselten wir auf Steigeisen und gingen als Seilschaft weiter. Zu unserem Erstaunen konnten wir den Gletscher deutlich besser durchqueren als gedacht und so standen wir nach einiger Zeit nur noch 200 Höhenmeter unter dem Ecclesbiwak. In leichter, aber brüchiger Kletterei ging es hinauf. Am Ecclesbiwak angekommen, kochten wir erstmal Tee und ruhten uns etwas aus. Da das Ecclesbiwak nicht größer ist als eine mittelgroße Besenkammer, hofften wir darauf, dass nicht allzu viele weitere Seilschaften hier schlafen wollen würden. Nach etwa 2 Stunden gesellte sich dann eine weitere Seilschaft, bestehend aus zwei Italienern, zu uns. Zu fünft war es zwar mittlerweile eng geworden, jedoch noch aushaltbar. Wir entschieden uns den Weg für den morgigen Tag ein wenig auszukundschaften und staunten nicht schlecht, als wir die riesige Spalte sahen, die es morgen zu überqueren galt. Von unserer Position aus war nicht zu erkennen, ob es überhaupt möglich sei. Zum Glück hatten wir aber einen super Blick auf den „Piller Rugue“ und sahen, dass hier oben fast kein Schnee gefallen war. Außerdem klarte das Wetter weiter auf und es sah nicht so aus, als würde es nochmal schneien. Das Risiko hatte sich also gelohnt.

Wir überlegten, dass es keinen Sinn machen würde, im Dunklen zu starten und entschieden, bei Dämmerung loszugehen. Die Italiener, die den Inominatagrat klettern wollten, würden schon um   2:00 Uhr aufstehen und ihre Kletterei im Dunkeln starten.

Wir aßen zu Abend, stellten den Wecker auf 4:30 Uhr und gingen schlafen.

Wir wurden erst wieder wach, als der Wecker klingelte. Die Italiener waren bereits weg, waren aber so leise gewesen, dass sie uns nicht aufgeweckt hatten.

Wir frühstückten schnell etwas, zogen uns an und gingen nach draußen. Obwohl wir bereits auf    3800 Meter waren, war es erstaunlich warm. Hinter dem Biwak fanden sogleich die Abseilpiste. Nach etwa 30 Minuten standen wir auf dem Bruillardgletscher. 10 Meter unter uns befand sich eine etwa 20 Meter breite Spalte. Wir liefen an ihr entlang, konnten aber nicht erkennen, wie wir über diese gelangen sollten. Als wir zu einer eingestürzten Randkluft kamen, entschieden wir, dass dies der beste Punkt sei, um die Spalte zu passieren. Dies ging auch erstaunlich gut und so standen wir nach kurzer Zeit auf der anderen Seite der Spalte.

Nach weiteren 20 Minuten, in denen wir einen steilen Firnhang aufstiegen, standen wir am Einstieg des „Piller Rugue“.

Wir wechselten von Bergschuhen auf Kletterschuhe und begannen mit der Kletterei. Als die Sonne rauskam, wurde es warm und wir genossen die schöne Kletterei in völliger Einsamkeit. Der Fels am „Piller Rugue“ ist super fest und steht in seiner Kletterei dem „Grand Cappucin“ in keinster Weise nach. So kletterten wir Seillänge für Seillänge, bis wir schließlich am Ende ankamen.

Bei unserer Planung hatten wir überlegt, hier ein Biwak einzulegen. Es war allerdings erst 12:00 Uhr und ein Blick auf den Wetterbericht verhieß nichts Gutes. Ab etwa 19:00 Uhr sollte mit starkem Wind bis zu 100 km/h zu rechnen sein. Es gibt sicher bessere Orte als ein ausgesetzter Grat für solche Bedingungen.

Nach einer kurzen Pause kletterten wir am laufenden Seil weiter Richtung „Picco Luigi Amadeo“.  Die Kletterei wurde ab jetzt deutlich leichter. Ebenso wurde aber auch der Fels brüchiger und brüchiger. Nach weiteren 3 Stunden erreichten wir den Gipfel des „Picco Luigi Amadeo“ und genossen für einen kurzen Augenblick die Aussicht. Wir machten einige Gipfelbilder von Gipfel Nr. 82/82, aßen und tranken etwas.

„Picco Luigi Amadeo“

Der Wind wurde bereits etwas stärker und so kletterten wir weiter. Nach einigen Türmen, die wir allesamt überkletterten, kamen wir auf den Firngrat. 

Ab hier wurde das Gelände wieder leichter und wir kamen recht zügig vorwärts. Gegen 19:00 Uhr erreichten wir den Gipfel des Mont Blancs. Spätestens hier war für uns klar, dass unsere Entscheidung, nicht zu biwakieren und weiterzugehen, die Richtige war. Der Wind war mittlerweile so stark, dass man Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben.

Nach einem Gipfelschnaps für David und Matt ging es für uns an den Abstieg. 

Wir wählten den Weg Richtung Goutehütte und kamen kurz vor Sonnenuntergang müde, aber glücklich dort an. 

Wir beschlossen, nicht weiter abzusteigen und hier den Abend gemütlich ausklingen zu lassen.

Bei einem leckeren Abendessen feierten wir den Abschluss meines 4000er Projekts und genossen den Moment.

Am nächsten Morgen standen wir früh auf und machten uns an den Abstieg nach Chamonix.  Von dort ging es dann mit dem Bus Richtung Courmayeur. 

Dort angekommen, verabschiedeten wir uns von Matt und beendeten die Tour wie sie angefangen hatte. Mit Pizza und Eis.

Mit der Besteigung des „Picco Luigi Amadeo“ geht für mich ein Projekt zu Ende, das mich die letzten sieben Jahre begleitet hat und mich jeden Sommer in die Westalpen trieb. Es war eine unheimlich schöne Zeit mit großartigen, aber auch riskanten Momenten!

 Vom Gewitter am „Täschorn“ mit David W. über ausgesetze Kletterei an der „Grandes Jorasses“ mit Tim S. und drei Tagen allein am „Peuterey Integral“ mit David D. war alles dabei.

Gerne erinnere ich mich an lustige Gespräche, wunderschöne Kletterei, und unbeschreibliches Gipfelglück zurück. 

Aber genauso kommen mir die endlosen Hüttenzustiege, das Aufstehen nachts um 2:00 Uhr, endlose Autofahrten und Steinschlag, der einen manchmal knapper verfehlte als einem lieb war, in den Sinn.

Ohne meine Kletterpartner wäre dieses Projekt nicht realisierbar gewesen und so war es umso schöner, dass aus flüchtigen Kletterbekanntschaften gute Freunde wurden! 

#project82ofthealps ☑

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert